Geschichte der Briefwahl in Deutschland
Die Briefwahl ist für uns heutzutage ein ganz selbstverständlicher Teil jeder Wahl. Das war nicht immer so: Vor Einführung der Briefwahl konnten Deutsche ihre Stimmen ausschließlich in Wahllokalen abgeben.
Als die Briefwahl in Deutschland ermöglicht wurde, mussten Stimmberechtigte lange Zeit sogar einen Grund dafür angeben, warum sie per Brief wählen möchten. Auch das hat sich inzwischen geändert: Wer seine Stimme heute in Deutschland per Briefwahl abgeben möchte, kann dies bequem und ohne jegliche Begründung tun.
1957: Einführung der Briefwahl in Deutschland
Seit 1957 haben Wahlberechtigte in Deutschland die Möglichkeit, ihre Stimme per Briefwahl abzugeben. Damit sollte die „Allgemeinheit der Wahl” sichergestellt werden – dies ist einer der fünf Wahlrechtsgrundsätze der deutschen Verfassung.
Alle Stimmberechtigten mussten demnach die Möglichkeit haben, möglichst einfach an einer Wahl teilzunehmen. Für alte und kranke Menschen sowie Wahlberechtigte mit einer Behinderung ist der Gang in ein Wahllokal möglicherweise aber nicht zu schaffen. Mit der Briefwahl sollte auch diesen Bevölkerungsgruppen das Wählen unkompliziert ermöglicht werden.
Dies ist auch die Begründung dafür, dass Einsprüche gegen die Briefwahl bislang abgewehrt wurden. Die Sicherstellung einer allgemeinen Wahl wiegt schwerer als die Gefährdung des Wahlgeheimnisses durch die Wahl in den eigenen vier Wänden.
Nur wenige nehmen zu Beginn die Briefwahl an
Ein weiterer Grund für die Einführung der Briefwahl war, dass sie die Wahlbeteiligung erhöhen sollte. Die Bundestagswahl 1957 war schließlich die erste Wahl, bei der Bürger:innen per Brief abstimmen konnten. Allerdings nahmen nur 4,9 Prozent der Stimmberechtigten diese neue Möglichkeit wahr.
2008: Briefwahl nun auch ohne Nennung von Gründen möglich
Bis 2008 mussten Stimmberechtigte, die ihr Kreuz per Brief setzen wollten, einen Grund dafür angeben. Der Hintergrund dafür war, dass niemand sicherstellen kann, dass Briefwähler:innen ihre Stimme frei und ohne den Einfluss einer weiteren Person abgeben können. Es musste also ein glaubhafter Grund angegeben werden, weshalb der Gang in ein Wahllokal abgelehnt wird.
Von 2004 bis 2007 diskutierte die Regierung darüber, die Gesetze für die Briefwahl zu lockern oder zu verschärfen. Das Ergebnis präsentierte die große Koalition Ende 2007 im Rahmen eines Gesetzesentwurfs für die „Abschaffung der Antragsgründe für die Briefwahl”. Dadurch wurde der Passus gestrichen, der eine Begründung für das Ablehnen der Wahl in einem Wahllokal erfordert.
Wenn du per Brief wählen möchtest, kreuzt du dies nun einfach auf deiner Wahlbenachrichtigung an und schickst sie an das entsprechende Wahlbüro. Anschließend erhältst du deine Unterlagen für die Briefwahl – ganz ohne Angabe von Gründen. Hier geht's zum Wahlbüro in deiner Stadt oder Gemeinde.
Entwicklung der Briefwahl im Überblick
In der Geschichte der Briefwahl gibt es eine interessante Entwicklung: Sie wird bei den Wahlberechtigten immer beliebter. Wie bereits angesprochen, stimmten 1957 nicht einmal 5 Prozent aller Wählenden per Brief ab. Die anfängliche Skepsis schien recht groß zu sein.
Bei der Bundestagswahl 1976 wurde der Anteil der Briefwähler:innen mit 10,7 Prozent erstmals zweistellig. Bis 1990 schwankte der Wert stark. Seitdem ist die Briefwahl aber voll im Trend und wird von immer mehr Stimmberechtigten in Anspruch genommen.
Die Entwicklungen bei den letzten Bundestagswahlen sind beeindruckend:
2005: 18,7 Prozent
2009: 21,4 Prozent
2013: 24,3 Prozent
2017: 28,6 Prozent
Zwischen den einzelnen Wahlen der letzten Jahre lässt sich im Schnitt ein Wachstum zwischen 3 und 4 Prozentpunkten bei den anteiligen Briefwähler:innen erkennen.
Stimmt bald die Hälfte per Post ab?
Bei der Bundestagswahl 2021 könnte der Wert noch einmal deutlich steigen. Durch die anhaltende Corona-Pandemie werden vermutlich mehr Menschen als je zuvor per Brief abstimmen. Einige Fachleute gehen sogar so weit zu sagen, dass die Hälfte aller Stimmen über die Briefwahl abgegeben werden wird.